115) Sonderbare Fälle
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Sonderbare
Fälle
Die meisten
von uns haben schon wenigstens einmal eine Wohnung gemietet und dabei die
Erfahrung gemacht, dass der abgeschlossene Mietvertrag nicht wörtlich
genommen werden kann oder überhaupt nicht eingehalten wird. Dort ist zum
Beispiel die Kaution nicht aufgeführt, die der Vermieter am Ende einfach in
die Tasche steckt. Oder es ist etwas aufgeführt, was eigentlich nicht da ist,
vom Abstellraum, über Trockenräume für die Wäsche, bis zur Mülltonne und
Parkplatz. Auch wenn alles gezeigt wurde, informieren einen später die
Nachbarn, dass sich vieles ganz anders verhält.
Eines Morgens
bringt man den Müll hinunter und wird dabei von einem energischen
Hausgenossen darauf aufmerksam gemacht: „Du hast keine Mülltonne!“ Hier
stehst du, mit einem Sack stinkender Eierschalen oder Pampers in der Hand und
musst ihn wieder in die Wohnung zurücktragen. Du packst ihn dann in einen
undurchsichtigen Sack, spazierst auf dem Weg zur Arbeit durch den Park und
steckst ihn in eine öffentliche Mülltonne. Vom Arbeitsplatz rufst du den
Vermieter an, der natürlich alles leugnet. Am Abend nach der Arbeit begibst
du dich zur Müllabfuhr, schließt, natürlich auf deinen eigenen Namen, einen
Vertrag ab und mit einer zusätzlichen Gebühr wird die Mülltonne auch noch vor
deiner Wohnung abgestellt.
Wie könnte
man nun diesen kleinen, aber störenden Betrag wieder zurückbekommen? Einer
deiner Bekannten ist Rechtsanwalt und neben einem Bier in einer Kneipe
erzählst du ihm die ganze Sache, wobei du hinzufügst: „Ich hatte daran
gedacht, dem Vermieter jeden Monat eine Kopie der Überweisung zukommen zu
lassen und die Summe von der Miete abzuziehen.“ Mit dem Gefühl erfüllt
gerecht zu handelt, lächelst du und denkst bei dir, dass man dich nicht so
leicht übers Ohr hauen kann.
Wie ein
Besserwisser verzieht der Bekannte skeptisch den Mund, er hatte schon lange
darauf gewartet, eine Probe seiner Kunst zum Besten zu geben: „Dazu hast du
kein Recht! Du darfst diese Summe nicht von der Miete abziehen. Du kannst die
Überweisungen sammeln und wenn sie fünfhundert Euro erreicht haben, gehst du
zum Gericht, um Anzeige zu erstatten. Das Gericht beschäftigt sich nämlich
mit geringeren Beträgen nicht.“ Kurz rechnest du: fünfhundert geteilt durch
sechs ergibt dreiundachtzig Komma sechs Monate, rund sieben Jahre. „Nach fünf
Jahren verjährt die Schuld.“ – fügt der juristische Ratgeber hinzu. Natürlich
bemerkt er die Enttäuschung in deinem Gesicht. „Eine Handlung darf den
rechtlichen Gang der Dinge nicht beeinträchtigen.“ Einen Moment lang findest
du keine Worte, weil es dem wohlklingenden Spruch, der dir in der Schule
immer wieder eingetrichtert wurde: „Der Staat bist du!“ widerspricht. Es gibt
anscheinend einen gewaltigen Unterschied oder gar Widerspruch zwischen
„rechtlich“ und „gerecht“. Dir bleiben zwei Möglichkeiten: Ausziehen, oder
das nächste Mal niemandem trauen! Auch dem Staat traue nicht, weil er nur
deine Steuern will!
Er hatte sie
nach drei Jahren Bekanntschaft geheiratet, weil er davon überzeugt war, dass
sie die Richtige sei. Zur ganzen Wahrheit gehörte aber auch, dass er sie ein
paar Mal in anderer Gesellschaft gesehen hatte, sie wusste nicht, dass er
dort war, und sie hatte sich ganz anders benommen. Sie war einfach, wie die
meisten Leute, ein Chamäleon. Es ist möglich, dass die Gesellschaft sonst
nicht funktionieren würde. Ihre Familie war eigentlich ganz normal. Man
akzeptierte ihn. Hatte man ihn gemocht? Eine schwere Frage, aber schließlich
hatte er ja nicht mit ihren Verwandten zusammenleben wollen. Natürlich war er
selbst kein Engel, hatte Fehler, doch hätte sie auch einen anderen wählen
können. Oder hatte hier der Grundsatz gegolten, wo es kein Pferd gibt, muss
man sich mit einem Esel aushelfen?
Nach drei
Jahren hatten sie geheiratet, dann kamen, wie geplant zwei Kinder, und noch
ein Jahr später begannen die Probleme. Wer hier genau der Schuldige war, ist
schwierig zu ermitteln. Aber was daraufhin kam, überstieg alle seine
Erwartungen. Sobald er ausgezogen war, machte es ihm seine Ehefrau unmöglich,
die Kinder zu sehen. Er wollte sie damit erpressen, dass er kein Kindergeld
bezahlt, wenn er die Kinder nicht sehen kann. Sein Anwalt riet ihm davon ab,
weil er Gefahr laufe, ins Gefängnis zu gehen und beim Scheidungsverfahren
dann ganz sicher alle Möglichkeiten verliere, ein Besucherrecht zu erhalten.
Also zahlte er.
In Anwesenheit
der Anwälte beider Parteien einigte man sich darauf, ein Jahr mit der
Verhandlung zu warten und nur ein Gesuch auf Trennung einzureichen, weil dies
billiger sei und auch nicht sehr viel länger dauere. Das Erziehungsrecht
bleibe natürlich bei der Mutter. Aber warum eigentlich „natürlich“? Das
Gesetz gehe im Allgemeinen in die Richtung und die offiziellen Statistiken
zeigen, dass fünfundachtzig Prozent der Urteilssprüche die Frau bevorzugen.
Sind die Familienrichter fast alle Frauen und deshalb voreingenommen? Er
machte sich darüber Gedanken, weil seine Frau auch diese Abmachung einfach
nicht einhielt und ihn die Kinder weiterhin nicht sehen ließ. Sehen die
Richterinnen das nicht? Aber die Gründe liegen anderswo. Wir leben leider
noch immer in einer Macho-Gesellschaft, wobei ein Mann für die gleiche Arbeit
mehr als eine Frau verdient. Unglücklicherweise helfen dabei auch Gesetze,
die Frauen eigentlich schützen sollten, wie zum Beispiel der
Mutterschaftsurlaub, usw. Diese Maßnahmen erhöhen natürlich die Kosten der
Arbeitgeber. Es ist nicht genug, acht Stunden im Büro zu verbringen, wenn man
Karriere machen und gut verdienen will. Für eine Frau mit Kindern ist das
nicht möglich.
Wenn also das
Gericht einem Mann die Kinder zugesteht, muss er mit seinem aufsteigenden
Berufsleben aufhören. Die Frau, die mit der Geburt der Kinder fast alle
Möglichkeiten auf Karriere verspielt hat, wird nie genug verdienen, um die
beim Mann lebenden Kinder ausreichend zu unterstützen. Hier müsste der Staat
finanzielle Beihilfe leisten und das versucht er natürlich, zu vermeiden.
Nach
eineinhalb Jahren wurde dann endlich die Scheidung ausgesprochen und er hatte
seine Kinder schon achtzehn Monate nicht mehr gesehen. Er brachte dies bei
der Verhandlung zu Wort und bekam das Besucherrecht. Seine Exfrau wurde
angewiesen, diese Vereinbarungen einzuhalten, was sie natürlich versprach,
aber später wieder nicht einhielt. Sein Anwalt erklärte ihm, dass er auch
weiterhin kein Recht habe, das Kindergeld zurückzuhalten, die einzige
Möglichkeit sei, beim Kindergericht Klage einzureichen.
Drei Monate
vergingen bis zur ersten Verhandlung. Seine Exfrau erschien nicht, deshalb
wurde ein zweiter Termin ausgeschrieben. Auch dann glänzte sie nur durch
Abwesenheit. Zum dritten Termin, nach insgesamt neun Monaten enthielt ihre
Vorladung die Aussicht auf eine Geldstrafe. Die Höhe der Summe belief sich
auf den monatlichen Kinderunterhalt, den er zahlte, wurde aber natürlich
nicht ihm als Geschädigten zugesprochen, sondern floss in die Staatskasse.
Bei dieser Verhandlung wurde seine Exfrau wiederholt aufgerufen, den Vater
seine Kinder sehen zu lassen. Auch weiterhin kam sie dieser Verpflichtung
nicht nach. Er hatte seine Kinder schon einundzwanzig Monate nicht besuchen
können, aber den Geldbeutel des Anwalts gefüllt. Nebenbei war dieser nur dann
bereit gewesen, ihn zu vertreten, wenn er bar und ohne Rechnung bezahlt wurde,
weil die Frau als für schuldig Befundene zwar verpflichtet war, aber nicht
fähig gewesen wäre, die Verhandlungs- und Anwaltskosten zu tragen.
Der Vater
wollte nicht aufgeben und ging in die nächste Runde. Wiederum wurde Klage
eingereicht. Bis zur ersten Verhandlung vergingen drei Monate, wobei er seine
Kinder schon seit zwei Jahren nicht gesehen hatte. Er wusste nicht, ob sie
sich überhaupt noch an ihn erinnern würden. Manchmal ging er auf den
Spielplatz in der Nähe, seine Exfrau machte dann immer ein großes Theater,
nahm die Kinder auf die Arme, die natürlich das Gefühl hatten, dass es hier
eine Stress-Situation gab und anfingen, zu weinen. Es war ihm nicht bekannt,
was sie den Nachbarn erzählt hatte, aber die sahen ihn mit zornigen Blicken
an, sobald sie ihn erblickten.
Zweite
Verhandlung ohne sie. Dritte Verhandlung – Aussicht auf Geldstrafe, deshalb
erschien sie. Seiner Klage wurde stattgegeben, das bedeutete „das Recht, die
Kinder zu sehen“. Er fragte den Anwalt, wie er diesem Recht Gültigkeit
verschaffen könnte. „Mit der Polizei“ – lautete die kurze Antwort. Als er
nach mehreren Versuchen wirklich mit der Polizei erschien, war die Überraschung
groß, die anwesende Schwiegermutter beschimpfte ihn. Die ganze Szene dauerte
zehn Minuten, weil er einsehen musste, dass das besonders für die Kinder eine
Qual war. Die Polizisten hatten verunsichert zugesehen. Einer erzählte ihm,
er habe so einem Schauspiel schon ein paar Mal beigewohnt, sei selbst in der
gleichen Situation und wisse – „Du hast keine Chance!“
Tagelang
fühlte er sich miserable, wusste, dass er eigentlich verloren hatte. Immer
wieder las er die Urteile des Gerichts. „Im Interesse des Kindes“ – hieß es
da.
Wie sollte
die Geschichte enden? 1) Er zahlte zwanzig Jahre lang, sah seine Kinder nie
wieder, weil sie ihn auch nicht besuchten. Man hatte ihnen eingetrichtert,
dass ihr Vater sich nicht für sie interessiere. 1a) Jahre später lernte er
eine andere Frau kennen, aber da er finanziell am Ende war, konnte er eine
neue Familie nicht finanzieren. 1b) Frauen kamen und gingen in seinem Leben,
aber er lebte nie wieder mit einer zusammen. 2) Nachdem er ein paar Monate
nicht bezahlt hatte, wurde er vor Gericht gestellt. 2a) Er bezahlte auch
weiterhin nicht und wurde wie ein Krimineller zu Freiheitsentzug verurteilt.
2b) Er verschwand im Ausland, bevor man ihn hätte einsperren können.
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Freitag, 14. August 2020
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