169) 1) Asien, ferner Osten 2) Wanderschaft in der Ukraine
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1) Asien, ferner Osten
2) Wanderschaft in der
Ukraine
1) Asien, ferner Osten
Ein Sprachlehrer unterrichtet
einen in Europa oder Amerika lebenden Asiaten. Die Aufgabe ist nicht leicht,
obwohl der Asiate eigentlich fließend Englisch spricht, aber er hat einfach
keine Ahnung von Grammatik. Wie konnte er dann Englisch lernen? Die
asiatischen Schulen arbeiten noch immer nach preußischen Grundsätzen. Von
Pädagogik kann hier nicht die Rede sein. Um chinesische, japanische oder
koreanische Schrift zu lernen, müssen ungefähr dreitausend Schriftzeichen
auswendig gelernt werden. Soviel auswendig zu lernen ist grundsätzlich der
größte Feind jedweder pädagogischer Methoden. Die meisten asiatischen Kinder
bleiben einfach mittelmäßige Befehlsausführer, die wenigen, die herausragen
haben ein Gehirn, wie ein Datenspeicher. So lernen sie auch Englisch. Sie
lernen dreitausend Sätze mit fünftausend Wörtern auswendig, sprechen aus
diesem Grund eigentlich ganz gut zum Beispiel Englisch, haben aber meistens
keine Ahnung, warum sie was und wie sagen. Der europäische oder amerikanische
Lehrer müsste bei so einem Schüler zuerst einmal diesen Unterwerfungsgeist
brechen, der nächste Schritt bestände darin, den Begriff Schönheit der
Sprache in den Unterricht einzubauen, um das nur auf Nützlichkeit
ausgerichtete Denken mit Interesse am Geist einer Sprache und Kultur zu
ersetzen.
Er kommt also ins Haus des
Asiaten und wird mit ausgestreckter Hand begrüßt (so viel hat der Asiate
schon übernommen). Die Verbeugung des Asiaten ist sehr tief, der Lehrer ist
für ihn ein kleiner Gott. Ein Intellektueller mit einem bisschen alternativen
oder lockeren Aussehen hat von vornherein fast keine Chance. Die Frau des
Schülers steht verbeugt hinter ihrem Mann die Hände vor sich in ihrem Kimono
versteckt, die Augen auf den Boden gerichtet. Der Lehrer wird in die gute
Stube geführt in dem es einen Tisch und zwei Stühle gibt. Während Schüler und
Lehrer einander gegenüber sitzen, zwischen sich den Tisch, hockt die Frau des
Asiaten in der Ecke und macht für ihren Mann Aufzeichnungen, spricht aber nie
ein Wort. Der Asiate stellt fast nie eine Frage, der Lehrer muss also
herausfinden, was der Schüler vielleicht nicht weiß oder noch nicht
verstanden hat. Jede Korrektur empfindet der Asiate fast wie eine
Erniedrigung. Er lernt sehr fleißig, aber eigentlich alles nur auswendig von
den Aufzeichnungen, die seine Frau in der Ecke für ihn gemacht hat. Ein
solcher Schüler ist für einen preußisch denkenden Lehrer ein siebter Himmel,
für einen modernen in Pädagogik ausgebildeten auf Kreativität aufbauenden
aber eine Katastrophe.
2) Wanderschaft in der Ukraine
Es war Freitag vier Uhr
nachmittags und seine Vorräte waren fast zu Ende. Er wusste, dass er am
Wochenende nirgends einkaufen konnte, also unbedingt ein Dorf und dort ein
Geschäft finden musste, und zwar ein privates, kein staatliches. In
staatlichen Geschäften gab es außer ungenießbarem Schwarzbrot und ein paar
Einmachgläsern mit Kompott oder Fleisch meist nichts. Endlich stiegen ein
paar Dächer von Lehmhäusern hinter einem Hügel auf, er beschleunigte seine
Schritte. Ein kleines Häuschen mit der Aufschrift „магазин“ = Geschäft, sah
ihm entgegen. Als er näher kam, hörte er von drinnen durch die offene Tür
lautes Gelächter und Geschrei. Drei Frauen, zwei hinter dem Pult und eine
davor, auf dem Pult Speck, Brot, Tomaten, Zwiebeln und so weiter, und ein
paar Flaschen Wodka und Mineralwasser. Die meisten Wodkaflaschen waren schon
leer. Er stand am Eingang und fragte höflich, ob er noch etwas einkaufen
könnte. In dem lauten Gelächter gingen die verständlichen Worte unter. Dieses
Geschäft war seine einzige Möglichkeit, noch etwas zu bekommen, deshalb trat
er auf die Schwelle.
Als er da so stand, nahm die
Frau, die vor dem Pult stand, eine noch halb volle Wodkaflasche, füllte ein
großes Limonadenglas mit dem Inhalt und drückte es dem Fremden in die Hand.
Den ganzen Tag hatte er nichts gegessen und sollte jetzt Wodka trinken. Als
er das Glas so anschaute, wurde das Gelächter der alten Frauen immer lauter.
Dann lehrte er das ganze Glas, nahm keine Luft, sondern aß sofort ein Stück
Tomate (auf diese Weise brennt der Wodka im Hals nicht). Die alten Frauen machten
große Augen, das hätten sie von einem so dahergelaufenen Fremden doch nicht
erwartet. Nach kurzer Stille des Erstaunens, brachen die alten Frauen wieder
in riesigem Gelächter aus, hielten sich die Bäuche, brachen vor Lachen fast
zusammen, und eine klopfte dem Fremden fest auf die Schulter, mit den Worten:
„Wie mein Sohn!“ Dann nahm eine hinter dem Pult einen Plastiksack, packte
Brot, Käse, Milch, Wurst, Tomaten, Speck und so weiter in den Sack, bis er
voll war und überreichte ihn dem Fremden mit einem großen Lächeln im Gesicht.
Noch lange hörte er das Gelächter aus dem kleinen Häuschen, als er sich
wieder auf den Weg machte. Nach zehn Minuten begann der Wodka, langsam zu
wirken. Er ging noch eine paar hundert Meter, dann fiel er unter einen Baum
zusammen und schlief ein. Als er wieder aufwachte, war es dunkle Nacht und
neben ihm sein Rucksack und der gefüllte Sack mit Lebensmitteln.
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Montag, 24. August 2020
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