189) Kriegführung des osmanischen Reiches / Die Geschichte des kleinen
Jungen, Abidin
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Kriegführung des osmanischen
Reiches / Die Geschichte des kleinen Jungen, Abidin
Wir sind im Jahre 1496 im
osmanischen Reich und die Perser waren gerade besiegt worden, so dass man
sich wieder nach Europa richten konnte, wovon sich noch größerer
Beutereichtum erhoffen ließ.
Der Vater hatte Abidin (der
die Religion verehrt, ein Sklave der Religion) in die Stadt auf den Markt
mitgenommen. Der Dorfjunge war gerade sechs Jahre alt geworden und sollte
seinem Vater beim Einkaufen helfen, vor allem auf den Karren aufpassen, wenn
der Vater gerade mit einem Verkäufer handelte.
Schon vor der Stadt wurden
sie von einem Strom von Hunderten mitgerissen und in eine Richtung getrieben.
Manchmal grüßte der Vater den einen oder anderen Bekannten aus den
Nachbardörfern, aber für Abidin waren diese weltfremd. Seine Augen sprangen
von Stand zu Stand. Dort wurde alles angeboten, Teppiche, Töpfe, Stoffe,
Sklaven, Rüstungen, Waffen, Pferde, Haustiere, Früchte, Gemüse, Fladenbrot,
alles, was man sich nur vorstellen konnte. Aber nicht nur die Stände brachten
den Jungen zum Staunen, die Flut der Käufer war noch seltsamer, vom weißhäutigen
mit glattem Haar über den gebräunten bis zum Schwarzen mit gekräuseltem Haar.
Plötzlich gab es einen
großen Lärm, ungefähr fünf Reiter stoben in die Menge. Jeder Einkaufende zu
Fuß versuchte, sich zu retten, um nicht von den Hufen der Streitpferde zertrampelt
zu werden. Selbst die Bauern auf ihren Karren und die Händler hinter ihren
Ständen zogen ihre Esel und Ochsen zur Seite, um den reich geschmückten und
bis zu den Zähnen bewaffneten Kriegern Platz zu machen. „Das sind
Janitscharen, die gefährlichsten und besten Krieger im Heer des Sultans,“
flüsterte der Vater seinem Sohn zu. „Wie wird einer ein Krieger des Sultans?“
fragte Abidin zurück. „Für dich, mein Sohn, ist das unmöglich.“ Der Vater
bemerkte die Tränen in den Augen seines Sohnes. „Ich bin ein armer Bauer und
kann dir keine Rüstung mit Pferd kaufen.“
Noch oft hatte der kleine
Dorfjunge Gelegenheit, solche Kämpfer auf dem Markt der großen Stadt zu
sehen. Die Alten im Dorf erzählten ihm Geschichten von Heldentaten des
Sultans und seines Heeres. Ab diesem Tag träumte er, auch einmal so ein
Krieger zu werden.
Im Alter von zehn Jahren
bekam er vom Dorf die Aufgabe, jeden Tag die Ziegen zum kleinen Fluss und auf
die Weide zu treiben. Und immer wenn er mit den Tieren allein war, schnitzte
er an seiner Rüstung aus Holz.
Als er wieder einmal am
Fluss saß, kam ein wirklicher Krieger um sein Pferd zu tränken. Der
zwölfjährige Junge nahm seine Holzrüstung und ging dem Mann, der vom Pferd
gestiegen war, entgegen. Als dieser ihn sah, begann er, herzlich zu lachen.
„Was ist dein Name?“ „Abidin
(der die Religion verehrt, ein Sklave der Religion)!“ „Mein Name ist Aslan
(Löwe). Ich sehe, du willst ein wirklicher Krieger werden. Aber nicht mit
diesem Holzstecken!“ und er lachte wieder laut auf. „Geh, und beschaff dir
zuerst richtige Waffen!“ „Wo bekomme ich die?“ „Die musst du dir selbst
erkämpfen, bei den Ungläubigen!“ „Wo sind diese Heiden?“ Der Reiter zeigte
mit seinem Arm in eine Richtung, dann gab er dem Jungen einen Dolch, schwang
sich auf sein Pferd und ritt weg.
Jetzt gab es für Abidin kein
Halten mehr. Er trieb die Ziegen in das Dorf, aber bevor er selbst die ersten
Häuser erreicht hätte, drehte er sich um und nahm die Richtung, die der
Krieger ihm angezeigt hatte.
Er war fünf oder sechs
Stunden gegangen, als die Sonne unterging, deshalb legte er sich unter einen
Baum und schlief den Dolch fest in seiner Hand haltend ein. Träume von Ruhm
und Reichtum schwirrten in seinem Kopf herum.
Am nächsten Morgen wachte er
mit knurrendem Magen auf, hatte er doch am vorigen Morgen zum letzten Mal
Grütze gegessen. Er fand eine kleine Quelle und trank, was aber seinen Hunger
kaum stillen sollte. Hinter dem nächsten Hügel gab es ein kleines Dorf. In
einem Vorhof melkte ein Bauer gerade seine Ziegen. Der Junge ging hinein und grüßte
ihn. Der Mann sah, dass der Junge hungrig war und gab ihm, zu bedeuten, dass
er von einem der Milchkrüge trinken könne. „Wohin des Wegs?“ „Ich will gegen
die Ungläubigen kämpfen.“
Der Bauer lud ihn ein, seine
Morgengrütze mit ihm zu teilen. Dann gab er ihm noch ein Stück Fladenbrot und
wünschte ihm im Namen Gottes ein gutes Geschick.
Am Nachmittag erreichte der
Junge einen breiteren Karawanenweg auf dem noch andere, so wie er auf dem Weg
waren.
Bis sie sich am Abend zum
Schlaf niederließen, waren sie schon zu fünft, Berna (jung), Celal (Ruhm
Gottes), Durukan (reines Blut), Ekmel (reif, fehlerlos) und Abidin.
Wenn die Gruppe, die immer
größer wurde, durch ein Dorf kam, wurden sie meistens von den Bewohnern
freundlich empfangen und versorgt. Sehr oft schlossen sich ihnen auch noch
einige Jungen an. Bis der Bosporus erreicht war, waren es schon hundert:
Fakir (arm), Güngör (gutes Leben), Hincal (Rache), Ilkben (der Erste), Kutlu
(der Glückliche), Lemi (der Glänzende), Mert (mutig), Nihal (junge Pflanze), Orhan
(großer Khan), Perran (der Fliegende), Sidika (Wahrheit), Tolga (Helm), Utkan
(Sieger), Volkan (Vulkan), …………... Diese Namen hatten sie sich meist selbst
oder einander gegeben.
Sie fanden ein kleines
Schiff, das sie über die Meerenge brachte. Danach begann die Wanderung über
das balkanische Gebirge. Doch die Bewohner dort waren nicht mehr ganz so
freundlich, weil es zum größten Teil keine Moslime waren. Sie gehörten noch
zum osmanischen Reich und wagten es deshalb nicht, die Gruppe aufzuhalten
oder ihr irgendeinen Wunsch abzuschlagen.
In der Mitte des Sommers
waren dann die Wohngebiete der Ungläubigen erreicht und nun durfte gestohlen,
geraubt und geplündert werden. Nach dem Angriff auf das erste Dorf waren fast
alle mit irgendeiner Art von Waffe (Sense, Keule, Eisenstange oder Messer)
versorgt. Nun wagten sie es sogar, kleiner Trupps von Soldaten anzugreifen,
wodurch sie in den Besitz von einigen Pferden und Rüstungen kamen.
Die Überraschung kam auf dem
Rückweg, als sie am Ufer eines Flusses gerade Rast hielten. Plötzlich
erschienen aus allen Richtungen gut bewaffnete, ausgebildete, reguläre
Grenztruppen. Die schnellsten der jungen Gruppe schwangen sich auf die paar
Pferde und konnten gerade noch entkommen. Die anderen ungefähr neunzig
schlechter ausgerüstete wurden mit der gleichen Gnadenlosigkeit
niedergemetzelt, mit der sie die Dörfer ausgeraubt hatten. Dort lag auch
Abidin mit gespaltenem Schädel, dem eben ein Rabe die Augen ausweihte.
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Samstag, 29. August 2020
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