Samstag, 15. August 2020

119) II) Guten Morgen
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II Guten Morgen

Im Sommer machte er einen Urlaub mit seiner türkischen Freundin in ihrem Vaterland. Hier hieß es wirklich Vaterland, weil sie ja erst in Deutschland geboren wurde. Man besuchte ihre Familie und Verwandten, die nicht gerade zu den Ärmsten gehörten. Nach dem Aufenthalt erzählte sie ihm, dass sie eigentlich nicht gern dorthin fuhr, weil sie nicht wusste, ob ihr Großvater nicht vielleicht einen türkischen Mann für sie gefunden hätte. Jetzt verstand er, warum sie während des Besuches keinen Zentimeter von seiner Seite gewichen war. „Die Gesellschaft ist hier noch schlimmer als in Deutschland.“ Sie lachte: „Ich gliedere mich gern in Deutschland ein, weil das für mich die einzige Ausbruchsmöglichkeit ist!“ – „Vielleicht werden deine Kinder das nicht mehr so sehen und auch so unzufrieden sein, wie ich.“ – „Möglich. Aber was willst du machen? Die Europäische Union, Nordamerika und Australien sind für Mädchen, wie mich, ein freies, großes Gefängnis. Wobei auch dort nur die Städte zum Leben geeignet sind, weil die Leute auf dem Land zwar keine islamischen, aber christliche Fanatiker sind.“ – „Die Frage ist nur, wie sehr die Männer, die Herren der Harem in konservativen, religiösen Ländern, mit ihrer Position zufrieden sind. Wenn sie einer Frau zum Beispiel den Kitzler herausschneiden lassen (Die Männer machen das natürlich nicht selbst, sondern alte Frauen erledigen das für sie.), damit sie weniger einen Orgasmus hat, und deshalb treuer sei, oder sie wie einen Vogel im Käfig halten, nehmen sie sich selbst das Vergnügen, beim sexuellen Akt das Gefühl zu haben, ein richtiger Hengst zu sein, weil die Frau den Orgasmus nur imitieren kann.“ – „Vielleicht wollen sie sich selbst bestrafen. Wie die Christen im Mittelalter, für die das Irdische ein Jammertal war und das wirkliche Leben erst nach dem Tod begonnen habe.“
Als sie das sagte, lächelte sie. „Warum machen die Frauen dort keinen Aufstand? Warum hat deine Mutter nicht rebelliert?“ – „Sehr viel kann ich mit ihr über diese Dinge nicht sprechen, weil sie sehr verschlossen ist. Aber ich glaube, dass sie einfach Angst vor der Freiheit und den damit verbundenen Möglichkeiten hat.“ – „Das musst du mir erklären.“ – „Du bist damit aufgewachsen, wählen zu müssen. Schon als Baby musstest du entscheiden, welchen Brei du bevorzugst. Bei mir war das anders. Es gab nur einen. Erst als ich in die Schule kam, stellten sich mir diese Fragen. Lerne ich lieber Mathematik oder Literatur? Ich brauchte sehr lange, das Wort ‘wollen‘ sowohl im Deutschen, als auch im Türkischen, zu verstehen.“ – „Ich will, also bin ich.“ – „Haha! Der philosophische Grundsatz des einundzwanzigsten Jahrhunderts.“ – „Und jetzt kämpfst du an drei Fronten. Auf der einen Seite deine eigenen Leute, die dich hindern möchten, auf der anderen die deutschen Rassisten, die dich wegschicken wollen, und zuletzt du, um dich selbst zu überwinden.“ – „Ungefähr! Und du, mein Lieber, kannst mir dabei nicht helfen, weil diesen Kampf jeder für sich selbst ausfechten muss.“ – „Wenn einem Freiheit so einfach gegeben wird, kann man wahrscheinlich zuerst damit nichts anfangen. Man fühlt sich verlassen, allein gelassen und sehnt sich nach Führung, nach einem Tyrannen.“ – „Richtig! Das ist der Grund, warum viele Frauen sich einen Macho suchen, oder rechtsgerichtete, konservative Parteien wählen. Ein Führer nimmt ihnen die Last ‘Die Qual der Wahl“ von den Schultern und gibt ihnen das Gefühl der tatenlosen Sicherheit. Wenn etwas passiert, ist es doch nicht ihre Schuld. Verantwortung ist für sie eine unerträgliche Last.“ – „Wie viele Generationen vom Ägypter, der glaubte, dass sein Leben mit dem Tod des Pharaos endet, bis zum selbstbewussten, verantwortlichen Liberalen, der sich auch gleichzeitig noch selbst so im Griff hat, anderen nicht schaden zu wollen. Und dazu keine Gesetze mehr benötigt.“ – „Du Träumer! Dort sind wir noch lange nicht. Im Kommunismus versuchte man, die Leute zu erziehen. Das ist fehlgeschlagen. Oder vielleicht kam es zu früh. Der Überlebenskampf macht manchmal Gruppen nötig. ‚Gemeinsam sind wir stark‘, sagen sie. Individualismus oder anders zu sein, ist ihnen verhasst. ‘Gemeinsam‘! Das führt wieder zum Nationalismus.“



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