Sonntag, 23. August 2020

163) 1) Wenn man dich nicht versteht 2) Der liebe Kleinstadtarzt und seine Spießbürger!
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1) Wenn man dich nicht versteht
2) Der liebe Kleinstadtarzt und seine Spießbürger!


1) Wenn man dich nicht versteht, bedeutet dies nicht unbedingt, dass du unverständlich sprichst, und wenn du nicht alles verstehst, was dir gesagt wird, heißt das nicht immer, dass es dir an Bildung fehlt.


2) Der liebe Kleinstadtarzt und seine Spießbürger!

Der Hausarzt ist ein besonderer Beruf. Nicht wie im Krankenhaus, sondern der Arzt geht dorthin, wo die Leute krank werden können, in die Kleinstadt. Diese Bürger sind anders und benötigen eine besondere Behandlung. Lange sind die Zeiten vorbei, in denen die Kuh oder das Schwein wichtiger waren, als die alte Großmutter, die einfach zu zäh war, um schnell genug den Weg in den Friedhof zu finden. Und wenn sie schon dorthin ging, was wöchentlich wenigstens einmal geschah, dann kam sie doch immer wieder zurück. Der alte Kleinstadtarzt, der mutigste und klügste, stand vor allem im Gedenken der alten in höchsten Würden. Als die Amerikaner mit Panzern vor der alten Stadtmauer des nordbayrischen Städtchens gestanden hatten und darüber berieten, ob sie das mittelalterliche Stadttor mit seinem Storchennest durch einen Kanonenschuss in die Luft jagen sollten, weil es für die Fahrzeuge zu klein war, nahm er einen Stock, band ein weißes Tischtuch daran und ging ihnen entgegen, um das schlimmste zu verhindern.
Nun dieser wunderbare Mann war in den verdienten Ruhestand gegangen. Und der neue? Ja, der war anders, kam wahrscheinlich aus der Großstadt. Während der alte in einem alten Gebäude von der Stadt eine Wohnung zugewiesen bekam, weil das neue Bürgermeisteramt gerade gebaut worden war, baute sich der neue sofort ein eigenes und nicht eben kleines Haus und dazu noch dreihundert Meter vom Marktplatz mit seiner gotischen Kirche, der Gastwirtschaft „Zum Goldenen Hirschen“, der Bäckerei und dem alten Fleischergeschäft. Er ging auch nicht in die Kirche, er war ja evangelisch, und das alles in einer katholischen Gemeinde. Der Durchbruch für ihn sollte sich erst einstellen, als dann noch das alte Krankenhaus geschlossen wurde, um mit dem großen modernen in der nächsten Großstadt zusammengezogen zu werden. Aus diesem Grund verschwanden auch langsam die Kinder, an deren Kopf noch die Abdrücke der Geburtszange sichtbar waren, mit deren Hilfe die Hebamme die Neugeborenen aus dem Mutterleib gezogen hatte. Trotzdem musste der neue noch oft Hausbesuche abstatten, nicht selten auf Meldung der Nachbarn, weil die alten sich nicht in seine neue, zu sterile Praxis wagten, in der der Warteraum mit Blumen, bequemen Sesseln, einem großen Spiegel und Modezeitschriften ausgestattet war.
„Wer hat sie gerufen?“ – Empfing ihn die erstaunte Frage, als er in einem alten Haus erschien. Als ob er dies nicht vernommen hätte, stellte er seine Arzttasche auf den einen der zwei Stühle neben dem Bett. Von der Türschwelle schauten ihm die nächsten zwei Generationen zu. Geschickt hatte er sich mit dem Rücken zur Tür gesetzt, um überflüssige Fragen zu umgehen. Der ganze Besuch hatte nicht länger als zehn Minuten gedauert. Auf dem Weg zur Eingangstür, musste er wieder durch das ganze Haus zurückgehen. Ein kleines Regal mit Zinnsoldaten war dort als Verzierung aufgehängt worden und sollte die Handfertigkeit und Freizeitbeschäftigung des Sohnes und Enkels verdeutlichen. Die Figuren waren bemalt, richtig mit den ursprünglichen Farben in blau (französisch). Der Kleinstadtarzt warf einen Blick darauf, stellte fest, dass es sich hier um die glorreichen Kämpfer des alten Fritz (Friedrich von Preußen) handeln müsse. Zufrieden nickend zollte der Hausherr dem Allgemeinwissen des Stadtmenschen seine Anerkennung. Der Bayer hatte seinen Lokalpatriotismus mit dem Großgefühl des deutschen Reiches vertauscht.


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