Mittwoch, 19. August 2020

130) Was gut ist, ist einfach gut I
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Was gut ist, ist einfach gut I

„Nein, keiner kann mehr rein! Bitte, liebe Leute! Ich spreche mit der Band und bin sicher, dass sie auch nächste Woche hier spielen.“ – Er schloss die Tür seiner Kneipe und drängelte sich durch die Zuhörermenge zur Theke durch. Seit neunzehnhundertsechzig führte er den Music-pub, hatte in diesen zwanzig Jahren so ziemlich alle Musikrichtungen des zwanzigsten Jahrhunderts zu Gast, aber so etwas hatte er noch nie erlebt. Seit Wochen war die Kneipe jeden Abend überfüllt. Diese Jungs waren einfach eine Goldgrube. Nicht zu viel Elektronik, nur einfache Instrumente, ein Rhythmus der anfänglich ein bisschen seltsam wirkte, kein wirklicher Gesang, sondern nur die Nachahmung von Stimmen. Ganz egal, ob die schnelle, lustige oder langsame Stücke spielten, die Musik riss die Zuhörer mit. Das waren junge Leute, sie hatten ein kleines Hausstudio und nahmen dort ihre Kassetten auf, die er, der Wirt an der Theke neben den Getränken verkaufte. Manchmal war er fast eifersüchtig, die verdienten mit ihren Kassetten mehr, als er mit seinen Getränken, jedes Mal „ausverkauft“. Das waren eigentlich nur Hobbymusiker, die hatten schon in der Schule zusammen gespielt und dabei langsam ihren Stil gefunden. Spielten einfach die Seele aus sich heraus, improvisierten, wie die Größten. Jetzt nach dem Abitur verdienten sie das Geld fürs Studium. Offene Leute, deren geistiger Horizont kein Brett vor dem Hirn behinderte. Und das alles in seiner Kneipe. Vielleicht sollte er seine Räumlichkeiten vergrößern. Und die Zuschauer, wunderbar, forderten eine Zugabe nach der anderen.
Nach dem Ende des Konzerts tranken die Musiker vor dem nach Hause-Weg noch ein wohlverdientes, kaltes Bier und packten langsam ihre Instrumente zusammen. Als sie die Kneipe verließen, fuhr ein großes Auto vor. „Steigt ein!“ – rief der Fahrer. „Ich bringe euch nach Hause.“ Die Jungs lehnten nicht ab, mit der ganzen Ausrüstung war es ziemlich umständlich, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. „Das war ja wieder ein tolles Konzert! Wo habt ihr das denn gelernt?“ Die Jungs erzählten kurz ihre Geschichte, er hörte eigentlich gar nicht richtig zu. „Es wäre doch gut mit so einem Kleinbus das ganze Zeug herzubringen, nicht wahr?“ – und deutete auf die Ausrüstung. „Man müsste nur ein bisschen Geld machen.“ – fuhr er fort. Jetzt schauten sie auf. „Wer ist das? Worauf will der hinaus?“ – ging es ihnen durch den Kopf. Als ob er die Frage geahnt hätte, gab er jedem eine Visitenkarte. „Talentsuche! Super Möglichkeit!“ Darunter ein wohlklingender Name, Telefon- und Faxnummer. „Ich arbeite für eine Plattenfirma. Wir suchen solche genialen Leute, wie euch! Man müsste natürlich etwas Elektronik hineinbringen, die Kleidung – Pop-Rock, und wirkliche Texte von Liebe und Umweltschutz. Wisst ihr, das ist jetzt Mode!“ – und noch viel anderes Bla Bla.
Am nächsten Abend kamen die Mitglieder der Gruppe zusammen, um neue Stück zu probieren, Konzertpläne, finanzielle Dinge und ähnliches zu besprechen. Aber das Hauptthema war das Erscheinen des Agenten. Man begann, ein bisschen zu träumen, stellte sich vor, wie es wäre. „Wenn du einmal entdeckt wirst, hast du es geschafft!“ – hieß es da. „Oder die machen aus dir eine Eintagsfliege. Wenn du nicht genau ihre Anweisungen befolgst, lassen die dich wie eine heiße Kartoffel wieder fallen. Du wärest ihnen ausgeliefert, würdest von ihnen abhängen. Die bauen dich auf oder ab, wie es denen gerade gefällt.“ Zu einer gemeinsamen Entscheidung kam es nicht, aber es bestand auch nicht unbedingt die Gefahr einer sofortigen Trennung. Nach einer Zeit wurde die ganze Sache vergessen.
Die Gruppe hielt viele Konzerte, fast jedes Wochenende, diese waren sehr erfolgreich und brachten auch etwas Geld. Natürlich wuchsen auch die Ausgaben. Solange man nur in der Heimatstadt und Umgebung Konzerte veranstaltete, war es noch ziemlich günstig, aber weitere Reisen oder gar eine Tournee ließen sich damit nicht finanzieren. Man musste sich langsam überlegen, ob man Hobbymusiker bleiben wollte und sich auf das Studium konzentrierte, oder den riesigen Schritt ins Musikgeschäft wagen wollte. Als die Einnahmen etwas stiegen, meldete sich auch das Finanzamt. Jetzt hätte man eigentlich einen professionellen Manager gebraucht, der über die nötigen Geschäftsbeziehungen verfügte. Und dann erschien der Agent wieder, oder besser nicht nur er, sondern einige dieser Branche. Doch die Vorstellungen dieser Leute widersprachen in jedem Gesichtspunkt denen der Gruppenmitglieder. Die Musiker hatten ihre eigenen Ansichten über ihr Schaffen und Wirken und wollten diese nicht unbedingt für billigen, verkaufbaren Schund aufgeben. Jedoch wuchsen die Spannungen innerhalb der Gruppe.
Irgendwann rief der eine dann heimlich einen der Agenten an. Der musste aber schnell feststellen, dass sich hier nur der Unfähigste der Gruppe gemeldet hatte. Er hätte diese Richtung nicht vertreten können, bei der ersten größeren Pressekonferenz wäre der Luftballon geplatzt. Auch für einen Agenten ist das Leben nicht immer leicht. Man muss eine Person mit Charakter finden, die bereit ist, ihre eigene Seele für ein bisschen Geld zu verkaufen. Dumme Leute gibt’s genug, das sind die, die den ganzen Kram der Werbekampagnen und dann die Kommerz- oder Mode-Musik fressen und kaufen. Heute Herz-Schmerz, morgen Naturschutz und Weltfrieden. Oder ein richtiger Mann, natürlich ein bisschen Macho, das gefällt den Frauen. Er muss für die Gleichberechtigung der Frauen eintreten, aber zu Hause Ordnung halten, das heißt: Der Platz der Frau ist in der Küche. Oder: Ich liebe die Natur, und deshalb hab‘ ich mir einen Palast mitten in den Wald gebaut. Vielleicht eine Frau mit großen Titten, ein Vorbild für die Frauen und den Männern fallen die Augen raus. Der Snobismus kennt keine Grenzen. „Ich fahre natürlich ein Hybrid-Auto! Man kann ja nicht mit dem einfachen Volk die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.“ Dumme Überzeugung gemischt mit ein bisschen Verstand. Der Star darf nur eine Spur klüger aussehen, als der konsumierende Durchschnitt.



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