Donnerstag, 20. August 2020

140) 1) Sie sehen auf dich herab … 2) Über Tote nur Gutes!
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1) Sie sehen auf dich herab …
2) Über Tote nur Gutes!

Sie sehen auf dich herab, wollen dir das Gefühl geben, dass du ein niemand bist, und wenn du dann bewiesen hast, dass du auch noch besser bist als sie, wollen sie dich mit offenen Armen in ihre Kreise aufnehmen. Wie erstaunt sind sie dann, ja fast beleidigt, wenn du ihnen zu verstehen gibst, dass du nicht den geringsten Wunsch hast, dazuzugehören.



Über Tote nur Gutes
„Hoho! Wirt! Bring uns noch Wein! Es durstet uns, wie in der Wüste zur Mittagszeit!“ – schrie er durch den Saal. „Hast du auch noch genug Münzen dafür?“ – fragte der Wirt, als er einen neuen, vollen Krug auf den Tisch stellte. Wütend warf der Trinkende ein Säckchen mit klingenden Geldstücken auf den Tisch. „Woher hat er jetzt dieses Geld? Beim letzten Mal hatte er fast seine Hosen hier lassen müssen. Der hat seit dem Tod seines Vaters nicht nur sein ganzes Erbe, sondern auch seinen Verstand versoffen.“ – fragte sich der Wirt. „Aha, da wunderst du dich? Du Knauserich! Ich habe nämlich die letzte Goldkette meiner verstorbenen Mutter verkauft!“ – antwortete er in Gedanken, als er dem erstaunten Gasthausbesitzer ins Gesicht lachte. Aber er wusste auch, dass dies sein letztes Geld war. Der Alkohol hatte ihn zwar ziemlich herunterkommen lassen, jedoch wäre er zu feige gewesen, zu betteln, zu stehlen oder gar zu rauben. Er war sich gewiss, dass er die Stadt verlassen würde. Als sein Geld aufgebraucht und der letzte Krug geleert war, erhob er sich, warf den Krug gegen die Wand und ging hinaus. Seine Saufkumpanen riefen ihm nach: „Bis morgen!“ Aber er antwortete ihnen nicht. Mit dem Mut des Betrunkenen begab er sich in Richtung Wald, fühlte weder die Dunkelheit, noch die Äste und Zweige, über die er stolperte, oder die ihm ins Gesicht schlugen. Irgendwann hatte er dann soviel Alkohol herausgeschwitzt, dass er nach einem Sturz einfach liegen blieb, wohin er gefallen war.
Als er aufwachte, hatte er fürchterliche Kopfschmerzen. Doch, was war das? Zu seinen Füßen saß ein Mann, der betete. Dieser gab ihm einen Krug. „Wein?“ Nein, Wasser, aber kühl und frisch, genau das Richtige für einen Katzenjammer und eine ausgetrocknete Kehle. Der Stumme stand auf, ging ein paar Schritte, schaute zurück und wartete. „Ach, du willst, dass ich dir folge!“ Beschwerlich stellte er sich zuerst auf alle viere, dann auf die Beine, ein bisschen wankend, aber es ging. Sie gingen eine Weile, dann hielt der Stumme an, bückte sich und aß ein paar Pilze vom Boden, der nüchtern Werdende tat es ihm gleich. Ein Stückchen weiter führte er ihn zu einem Vogelnest, nahm eines der Eier und gab ihm zu verstehen, auch nur eines zu nehmen, damit der Vogel das Nest nicht verließe, sondern ein paar neue lege. Der Stumme sagte nie ein Wort, lehrte ihn mit Zeichen, die Natur zu entdecken. Manchmal hätte unser Verarmter gerne ein paar Worte gesprochen, aber da er keine Antwort bekam, wandte er sich an die Tiere. Von Zeit zu Zeit hatte er das Gefühl, als ob diese ihm zuhören würden. Irgendwann starb dann sein stummer Meister und nun musste der eifrige Lehrling alleine überleben. Anfangs war er sehr traurig, hatte er sich doch an seinen Führer gewöhnt.
Wenn sehr selten Leute sich im Wald verirrten, sprach er aber kein Wort mehr mit ihnen. Vielleicht hatte er es verlernt, oder sich einfach daran gewöhnt. Mit den Tieren machte er ihre Töne nach. In der Stadt hatte man ihn schnell vergessen, vor allem weil er eigentlich keine Schulden hinterlassen hatte, weswegen man auf ihn hätte böse sein können. Langsam entstanden Legenden und Mythen über einen Heiligen, der das Erbe seines Vaters verschenkt hatte, und in den Wald gegangen war, um den Tieren das Wort Gottes zu predigen.


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