Mittwoch, 12. August 2020

107) der große Preis
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Der große Preis

Es war eine kleine, örtliche Firma. Sie produzierte Mineralwasser, oder besser, sie füllte das aus der Tiefe hervorquellende, gesunde Nass in Plastikflaschen ab und belieferte damit das Gaststättengewerbe und die Lebensmittelgeschäfte in der örtlichen Umgebung.
Dies war nach dem Kriegsende ein langsam aufkommendes Konzept, weil wegen der steigenden Grundwasserverschmutzung durch Düngemittel das Ausheben von neuen Brunnen gesetzlich verboten wurde und Leute bei steigendem Einkommen kein Leitungswasser mehr trinken wollten. Vor allem Sprudel war der große Schlager, dabei reicherte man das Tiefquellwasser einfach mit Kohlensäure an.
Nach langer Geschäftszeit ohne Konkurrenz erschienen Supermarktketten auch in den kleineren Städten, gar in größeren Dörfern. Anfangs stiegen die Bestellungen, weil es für diese Großunternehmen billiger war, sich örtlich zu versorgen. Aber dann begannen die Einkaufsketten die Wasserquellen aufzukaufen und ihr eigenes Emblem draufzukleben. Die Werbung in Funk und Fernsehen taten den Rest. Bald wollten die Leute nur noch Markenwasser genießen, obwohl dieses nach der Meinung des Eigentümers des Familienbetriebes auch nur Wasser war.
Sein Großvater war damals nach dem Krieg zur richtigen Zeit der richtige Mann am richtigen Platz gewesen und hatte die Konzession dafür ergattert. Lange Zeit hatte man auch gute Verbindungen zu Persönlichkeiten in den verschiedenen Ämtern.
Aber irgendetwas machten diese großen Unternehmen besser. Immer wieder studierte man deren Verkaufsstrategien und Produkte. Auffallend waren die vielen Informationen über Umweltschutz und Wettbewerbe, bei denen die Produkte gewonnen hatten. Die Preisvergeber waren zwar in allen Fällen völlig unbekannt, trotzdem wirkte es imposant, wenn die Preise auf den Waren glitzerten. Die Frage stellte sich, wie man zu so einer Auszeichnung kam. Briefe wurden an die Ausschreiber versendet und gespannt wartete man auf Antworten. Diese blieben doch in den meisten Fällen aus, oder der Betrag für die Teilnahme war unverschämt hoch. Man fand sehr oft heraus, dass die Prüfungskommission nur aus einer Person in einem Minibüro bestand.
Deshalb fasste man den Entschluss, es denen gleich zu tun. Ein Angestellter der Firma wurde in eine ausländische Großstadt geschickt, in der er eine winzige Wohnung mietete, dann bei den Behörden eine Firma eintragen ließ, die sich angeblich mit Warenprüfung beschäftigt, bestellte bei einer Druckerei ein Emblem und einige Formulare, schickte eine Siegerurkunde und ein Muster des Emblems an seine Heimatfirma. In großem Format wurde das Preisemblem auf den Plastikflaschen angebracht. Die Verkaufszahlen stiegen wieder ein bisschen, weil die Leute davon beeindruckt waren.


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