88) ganz anders
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Ganz anders
Es war 6 Uhr, Zeit zum Aufstehen, Frühstück
machen, die Kinder in den Kindergarten bringen und dann selbst zur Arbeit
gehen. Ihr Lebensgefährte Paolo leitete eine Arbeitsgruppe von ausländischen
Hilfsarbeitern im Bauwesen, Maysa war Buchhalterin. Sie hatten gemeinsame
Kinder, aber nicht geheiratet, weil beide Familien gegen die Verbindung
waren.
Probleme gab es immer, aber grundsätzlich war sie
glücklich. Paolo war zwar nach seiner Südländerart ein bisschen Macho, aber
wusste doch, wo die Grenzen lagen, weil er es ganz anders machen wollte, wie
sein Vater. Die Beziehung seiner Eltern war eine von oben nach unten. Der
Vater bestimmte und die Mutter musste gehorchen. Wenn das Familienoberhaupt
dann mal Probleme hatte, konnte er dieses mit seiner Frau natürlich nicht
besprechen, weil jene einerseits nicht daran gewöhnt war, einen eigenen
Standpunkt zu vertreten, andererseits zu wenig von der Welt um sie herum
wusste, um sich eine eigene Meinung bilden zu können, weil sie ja das Haus
fast nie verließ.
Sowohl Maysa, wie auch Paolo gehörten zur zweiten
Generation von Einwanderern. Seine Vorgeschichte war ruhiger, weil Männer
vielleicht einfach ganz anders behandelt werden.
Im Alter von 13 lief sie von ihrer Familie weg.
Sie hatte Angst, wie ihre größere Schwester, in das Land ihrer Ahnen
zurückgebracht zu werden, um dort einen Mann zu heiraten, den sie vorher nie
gesehen hatte. Sie wollte in Europa bleiben, sie hatte Träume. Der Kontrast
zwischen dem Leben ihrer Mutter und dem der Mütter der deutschen
Schulkameradinnen war einfach zu groß. Zuerst war sie dann ein Jahr in einem
Kinderheim gewesen, bevor man geeignete Adoptiveltern für sie gefunden hatte.
Zu den ausländischen, männlichen Jugendlichen aus
ihrem Heimatland hatte sie ein gemischtes Verhältnis, da einige so ein
Mädchen bewunderten, andere ihr Verhalten für einen Verrat an ihrer Kultur
hielten. Traf sie zufällig einen der ersteren allein, kam es zu einem ganz
normalen Gespräch, standen sie aber in einer Gruppe von mehreren Einwanderer
Jungs zusammen, gab es üble Nachrede. Anscheinend hatten sie entweder nicht
den Mut, oder nicht genügend Vertrauen untereinander, um ihre Sympathie
gegenüber der Rebellin einzugestehen.
In der Schule lief es eigentlich ganz normal. Sie
war nicht gerade die Beste, konnte aber mit viel Lernen über dem Durchschnitt
das Abitur ablegen. Die Adoptiveltern waren auch keine Übermenschen, sondern
einfach ganz normale Leute, die mit einem Kind ein bisschen Leben in ihren
Alltag bringen wollten.
Und dann lernte sie Paolo kennen, der sich
anfänglich wie ein richtiger Macho benahm. Mit der Zeit aber lernte er, sie
wegen ihrer Selbständigkeit und Willenskraft zu schätzen.
Vor einiger Zeit hatte sie sich einer
Hilfsorganisation für ausländische Frauen angeschlossen, und dabei war es
ihre Aufgabe, sich mit Mädchen im Schulalter zu beschäftigen, da sie dieses
Gebiet ja aus eigener Erfahrung kannte. Es wunderte sie nicht, dass es noch
immer so viele Fälle wie den ihren gab. In der Welt musste sich noch viel
ändern.
Auch in Europa war nicht alles aus Schokolade.
Das Leben der Frauen war zwar ziemlich frei, aber oft konnte man das Gefühl
bekommen, dass sich die Gesellschaft in Wirklichkeit eigentlich um niemanden
kümmern wollte. Jeder war nur mit sich selbst beschäftigt. Hier lag
sicherlich der Hund vergraben. Entweder wollte man mehr Freiheit und musste
dabei eine Gleichgültigkeit der anderen akzeptieren, oder sehnte sich nach
Fürsorge und erhielt Einmischung ins Privatleben.
Solidarität funktioniert nur auf der Grundlage
von gleichen Interessen. Die Menschheit hatte schon einen weiten Weg
zurückgelegt und ihre Kinder und später Enkel würden es bestimmte besser
haben.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Samstag, 8. August 2020
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen