82) der bewusste, deutsche Bürger
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der bewusste, deutsche Bürger
Ein alter Wecker aus Großvaters Zeiten klingelt.
Er braucht keinen Strom, man muss ihn aufziehen. Hans wacht auf seinem
selbstgezimmerten Bett auf. Es ist vier Uhr. Jetzt muss er die Kuh und die
Ziege melken, dann das Schwein, die Hühner, den Hund und die Katze füttern.
Bevor er ins Büro fährt, lässt er die Tiere noch in den umzäunten Garten.
Während er arbeitet hält der Hund Wache.
Dann fährt er los. Der Dieselmotor seines alten
Mercedes brummt. Er müsste wieder einmal vom Mechaniker überprüft und neu
eingestellt werden. Zudem verliert er Öl.
Aber Hans hat jetzt dafür keine Zeit. Er muss
schnell in die 50 km entfernte Stadt fahren. Er arbeitet dort als
Angestellter in der Personalabteilung. Wenn er sich nicht beeilt, wird er
sich noch verspäten. Mit 160 nimmt er die letzte Kurve zur Autobahnauffahrt.
Er hatte sich geschworen auf seinem Einsiedlerhof
so wenig Technik wie möglich zu installieren, hat einen Brunnen statt
fließendes Wassers, benutzt seine Autobatterie, wenn er wirklich mal ein
bisschen Lampenlicht braucht, aber normalerweise geht er mit den Hühnern ins
Bett und steht mit dem ersten Hahnenschrei auf. Außerdem heizt er mit Holz
aus seinem kleinen Wäldchen.
Als er sich ein paar Mal verspätete, oder im
Winter nicht zur Arbeit fahren konnte, weil der meterhohe Schnee nicht
geräumt worden war, legte sein Chef ihm nahe, sich doch wenigstens eine
Antenne aufs Dach zu setzen, um via Internet mindestens die wichtigsten
Sachen zu erledigen. Auch sein Handy lässt er immer im Büro, weil er diesen
Kontrast zur modernen Welt braucht. „Zurück zur Natur!“ - hieß damals seine
Devise. Und er hat bis jetzt durchgehalten.
Er hätte auch gerne seinen Kindern dieses
zurückgebliebene Leben aufgezwungen, aber seine Exfrau hatte bei der
Scheidung das Erziehungsrecht bekommen und war in die Stadt zurückgezogen.
„Hier gibt es ja nicht einmal einen Tierarzt!“ meinte sie. Jetzt kommen seine
Tochter und sein Sohn jedes zweite Wochenende. Jasmin, den Namen für die
Tochter hatte die Mutter des Kindes durchgesetzt, er hätte sie Krimhild oder
Brunhild benannt, wollte Kosmetikerin werden. Sein Sohn Matthias, für ihn
wäre es Siegfried geworden, schwärmte für schnelle Autos, die neuesten
Computerspiele und Basketball. „Sag wenigstens ‚Korbball‘!“ sagte er ihm
immer wieder.
Seine Kinder kommen nicht gern zu ihm und als sie
zu Weihnachten ein Amulett bekamen, das sie vor bösen Geistern bewahren
sollte, brach Jasmin, 16 Jahre alt, in großes Gelächter aus und meinte, dass
man in einem zivilisierten Land nicht mehr um den Marterpfahl herumtanzen sollte.
Sein Sohn, 15 Jahre alt, hielt seinen Vater für das Indianerspielen ein
bisschen zu alt. Seltsam sei ihm diese Mischung von „Grün und Braun“. Aber
die Idee, seinem Vater zum Geburtstag ein Steckenpferd zu schenken, ließ er
fallen, als dieser ihm erklärte, dass die Germanen keine Reittiere in
Anspruch genommen hatten. Das seien die Ungarn gewesen, die, nach dem sie
tausend Jahre später als die Germanen endlich vom Baum gestiegen waren, nicht
laufen, sondern in den Steppen sofort reiten gelernt hätten.
Im Büro trägt er Anzug, Krawatte und Brille. Er
lässt sozusagen seine Überzeugung zu Hause, weil er die doch irgendwie
finanzieren muss. Also nicht nur „Grün und Braun“, sondern auch „Farblos“?
Aber er hofft, dass die Germanen irgendwann
wieder einmal zu ihrer würdigen Größe kommen. Sie bräuchten nur einen starken
Führer, Armin der Cherusker, Otto, Wilhelm und Hitler.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Freitag, 7. August 2020
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen